- Geschichten über und mit Depressionen Teil 1 -
Ja!! Es hat geklingelt und mein Leiden hatte ein Ende. Eine liebe Freundin ist zu Besuch gekommen! Vor lauter Begeisterung bin ich erst einmal vollkommen ausgeflippt und vom Freuen und Ausflippen so durstig geworden, dass ich das Begrüßungsstreicheln nach 5 Sekunden abbrechen und zu meinem Napf flitzen musste. Den schlabber ich jetzt so schnell ich kann leer und flitze auch schon wieder zurück.
Meine Freundin hat sich inzwischen mit Frauchen an den Tisch gesetzt und ich beeile mich, damit ich ja nichts verpasse. Ich nehme Anlauf und peile den Schoß meiner Freundin an. Wie in Zeitlupe sehe ich die Stuhlkante viel zu niedrig auf meinen Kopf zufliegen. Oh mist. Ich verschätze mich um ein paar Zentimeter und die Schwerkraft verhindert meinen eleganten Flug vollends. Ich versuche das Beste aus der Misere zu machen und lande in einer tollpatschig-niedlichen Arschbombe auf dem Boden. Frauchen und meine Freundin beginnen gleichzeitig zu lachen. Ok, das verletzt meinen Stolz doch ein wenig. Aber zum beleidigt sein freu ich mich noch viel zu sehr. Ich will auf diesen Schoß! Also rappel ich mich auf und stelle mich erwartungsvoll an die Stuhlkante. Meine Freundin streichelt mich im Nacken und sagt mir wie süß ich sei. Hach, ich liebe sie. Vor lauter Freude bekomme ich wahnsinnigen Durst, drehe ab und renne zu meinem Napf, um ihn leerzutrinken.
Hey, Moment mal! Wieso ist da gar nichts drin? Entrüstet starre ich die Schüssel an. Sie ist immer noch leer. Ich haue fest mit der Pfote auf den Rand. Sie scheppert lautstark über den Boden. Immer noch leer. Also haue ich noch einmal drauf. Wenn ich das lange genug mache, kommt Frauchen immer und füllt ihn auf. Sie meckert dann zwar auch jedes Mal, aber der Napf hat halt auch gefälligst gefüllt zu sein! Und das ist nicht mein Job. Diesmal muss ich nur dreimal die Schüssel durch die Gegend pfeffern, dann kommt Frauchen auch schon – meckernd – an und gießt etwas Wasser hinein. Ich trinke meinen Napf bis auf den Boden leer, als wäre ich ein verdurstendes Kamel nach drei Tagen in der Wüste. Gestärkt hebe ich den Kopf. Frauchen und meine Freundin haben schon ohne mich angefangen. „Wie geht es dir heute?“, fragt Frauchen gerade.
„Wartet auf mich!“, denke ich mir und trotte gemächlich zu den beiden zurück. Irgendwie ist mir ein bisschen schlecht. Ich komme gerade rechtzeitig, um das ratlose Gesicht meiner Freundin zu sehen. Frauchen muss aber auch immer so komplizierte Fragen stellen. „Geht so?“, meint meine Freundin etwas schulterzuckend. Ich erreiche den Tisch und ziehe mich mühsam am leeren Stuhl neben meiner Freundin hoch. Sie klopft mit der Hand auf die Sitzfläche, sagt „Hopp“ und sieht mich erwartungsvoll an. Ich bleibe mit den Pfoten am Stuhl stehen und blicke erwartungsvoll zurück. Sie wiederholt das Klopfen und das Kommando. Ich rühre mich nicht. Die erwartet doch jetzt nicht ernsthaft von mir, dass ich da hochkomme? Wenn ich jetzt anfange, akrobatische Meisterleistungen zu versuchen, muss ich vielleicht kotzen. Und das will niemand. Und für was hab ich den Frauchen, wenn sie mich schon fast verdursten lässt?
Diese wird sich ihrer Pflicht bewusst, steht auf und hebt meinen Hintern langsam an, so dass ich gemächlich auf den Stuhl klettern kann. Während sie zurück auf ihren Platz geht, zieht meine Freundin den Stuhl direkt neben ihren, so dass ich mich gemütlich an sie schmiegen kann und trotzdem genug Platz für meinen Bauch habe. Der gluckert nämlich etwas gefährlich.
„Geht so. Mmh, also nicht ganz schlimm, aber könnte auch besser sein?“, nimmt Frauchen währenddessen das Gespräch wieder auf. Meine Freundin zuckt die Schultern. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Frauchen sich mit Absicht doof stellt. Wird Zeit, dass ich aushelfe, bevor sie es total vergeigt. Also drehe ich mich, mühsam an meine Freundin gelehnt, auf den Rücken und präsentiere meinen etwas aufgeblähten Bauch. Sie sieht mich an, lächelt und beginnt vorsichtig meinen Bauch zu kraulen. Ich spüre, wie die Schwere, die sie umgibt, etwas nachlässt. Geht doch. Frauchen lässt währenddessen nicht locker. „Genau darüber will ich heute mit dir sprechen. Was da genau in dir los ist. Denn wenn wir das besser verstehen, dann können wir gemeinsam Wege finden dir zu helfen.“
Meine Freundin hat nämlich Depressionen. Deshalb kommt sie uns auch seit kurzem besuchen. Also Frauchen hat ihr bei einem der letzten Male erklärt, dass sie eine Depression hat. Mich verwirrt das immer ein bisschen, weil sie das auch Freunden von mir gesagt hat, die nicht von dieser Schwere umgeben sind. Anscheinend gibt’s da mehr Sorten von Depressionen. Meine Freundin hat die Sorte, bei der die Luft im Raum schwer wird, wenn sie bei uns ist. Sie wirkt auch immer so, als würde sie etwas verdammt Schweres auf den Schultern tragen. Und ich muss mich so richtig ins Zeug legen, um sie zum Lächeln zu bringen. Also die Art von Lächeln, die sie auch so meint. Wegen der ganzen Schwere ist sie auch viel langsamer, als meine anderen Freunde. Kein Wunder, wenn man so viel rumschleppen muss. Deshalb versuche ich auch, ihr etwas davon abzunehmen und kuschel mich ganz eng an sie. Ich bin zwar klein und kann nicht viel tragen, aber das muss ich auch gar nicht. Ich verjage die Schwere nur. Die soll gefälligst mich und meine Freundin in Ruhe lassen! Na gut Frauchen hilft da auch ein bisschen mit und soweit ich mitbekommen habe nimmt meine Freundin noch Medikamente dagegen, aber jetzt im Moment hilft das gar nichts. Jetzt bin ich da und helfe meiner Freundin. Und zum Dank krault sie mir den Bauch. Für diesen Moment ist es wunderbar.
- Fortsetzung folgt -
Auch Kinder und Jugendliche leiden unter Depressionen. Je nach Studienlage geht man davon aus, dass 2-3 % der Kinder und 6-10 % der Jugendlichen (dabei fast doppelt so viele Mädchen wie Jungen) betroffen sind. Die Schwierigkeit liegt hier darin, die Depression überhaupt als solche zu erkennen, denn je nach Entwicklungsphase zeigt sich die Depression nach außen sehr unterschiedlich. Während Cookies Freundin in der Geschichte eher unter einer „klassischen“ Form der Depression leidet (gedrückte Stimmung, verminderter Antrieb, Hoffnungslosigkeit, erschwerte emotionale Reaktion/Mimik, psychomotorische Verlangsamung etc.), wie sie auch im Erwachsenenalter auftritt, können diese im Kindes- und Jugendalter auch durch Reizbarkeit, Aggressivität, Bauchschmerzen, Ängste, aufmerksamkeitssuchendem Verhalten, Schlafstörungen oder Entwicklungsverzögerungen ausgedrückt werden. Meistens treten die depressiven Symptome in dieser Altersspanne gleichzeitig mit anderen Erkrankungen auf. Ohne Behandlung hat das verständlicherweise gravierende Auswirkungen auf das Leben der Kinder und Jugendlichen, ihre schulische Laufbahn, ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihre langfristige psychische Gesundheit.
Aber wie bekommt man so eine Depression überhaupt? Dazu mehr in der nächsten Episode.